Bahnhofsmission Kassel-Wilhelmshöhe

Dieter Puhl: „Ohne Liebe ist alles nüscht.“

von | Dez 27, 2023 | Archiv

Dieter Puhl hat 31 Jahre bei der Berliner Stadtmission gewirkt. Letztes Jahr ist er in Ruhestand gegangen.

 

In einem epd-Bericht vom 28.09.2023 ist zu lesen, er habe es „salonfähig gemacht, Gutes zu tun und darüber zu reden“. Und „ Puhl mache seit mehr als 30 Jahren unermüdlich auf jene aufmerksam, die unter menschenunwürdigen Bedingungen auf der Straße leben, hieß es weiter. Missstände anzuprangern und dazu aufzurufen, sie zu beseitigen, sei seine Passion.

Stadtmissions-Direktor Christian Ceconi sagte: „Jene, die wegschauen, hat er eingeladen hinzuschauen, in Beziehung zu gehen und sich zu engagieren.“ Puhl sei ein „Menschenfänger im besten Sinne und zum Besten der Stadt“.

Für sein Engagement ist er vielfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz. In seinem Buch „Glück und Leid am Bahnhof Zoo – Ein Leben für die Bahnhofsmission“ (Kreuz-Verlag) gibt er einen Einblick in sein Leben und seine Arbeit.

Das Schöne und Bereichernde ist, das man mit Dieter Puhl gut in Kontakt kommen kann. Facebook, Freundschaftsanfrage – und schon kann man Beiträge von ihm lesen. Er teilt sein Leben (und manchmal auch sein Leiden) mit einer großen Leserschaft, die eifrig darauf reagiert.

Einen der letzten Beiträge von ihm stelle ich hier in unser Blog. Dieter Puhl hat dafür sein OK gegeben. Auch von hier aus noch einmal: Danke, Dieter!

Hörenswert ist auch der Podcast-Beitrag aus der Wochenzeitung DIE ZEIT:
Dieter Puhl: „Ohne Liebe ist alles nüscht“ | ZEIT Arbeit

Hier nun sein Facebook-Post vom 25.12.2023:

Noch nie hat ein Mensch auf mich geschossen, meine Freundin wurde nicht vergewaltigt, meine Enkelkinder nicht zwangsadoptiert.

Ich hatte Krebs in diesem Jahr, das ging mir nahe, anderes mit meiner Gesundheit auch. Ich hatte aber gute Ärzte und tolle Pflegerinnen und Pfleger.

Und noch immer ist es für mich relativ einfach, nicht zu den Verbrechern und Halsabschneidern zu gehören; es gibt kaum Versuchungen, denen ich mich stellen muss.

Ich schoss noch auf niemanden.
Danke!

Mein Dach ist dicht, ich habe eines und ein Bett und eine Heizung habe ich auch. Für einen Schluck Wasser, einen Kaffee, ein Brötchen oder einen Schlafsack muss ich nicht anstehen.

Niemand spuckt mich an und ich werde nicht ständig beleidigt.
Einer Dusche täglich und einem Stück Seife begegne ich mit Respekt, beides ist nicht selbstverständlich.

Eine Toilette …, ich sah obdachlose Frauen, die knieten nieder und wechselten ihren Tampon im Knien.

Ich rauche seit Monaten nicht mehr, manchmal bin ich stolz darüber, oft fehlt mir das sehr. Nicht nur wegen des Genießens. Ihr kennt den Topf mit Wasser auf dem Herd, der überkocht. Man dreht das Gas etwas runter. Es ist doch nicht nur die Genusszigarette, nach dem Essen, zum Kaffee – es ist die Zigarette, die beim Überbrodeln hilft, mich runterbringt.

Und die Arbeit half hier auch und natürlich fehlt sie noch. Denn die Energie ist doch da (bzw. kommt langsam wieder).

Und da sind Freundinnen und Freunde und ich freue mich auf sie und mehr Zeit mit ihnen.Gut, dass ihr da seid und gut, dass ihr es so seid.
Prima Sache!

Ich war krank. Ich war aber nicht allein.
Maria – danke. Es macht aber auch Freude, einen Wein mit dir zu trinken. Im Arm halte ich dich auch sehr gerne.

Zweimal Urlaub in einem Jahr zu machen – ich finde, ich bin reich. Da war Mallorca im Frühjahr, kurz, ich kenne die Insel kaum, aber sehr schön. Und Mallorca ist im Februar eine gute Alternative zu Kreta. Da ist es mir im Februar doch eher zu kühl. Kreta kam dann im Oktober und November, versöhnte für vieles, war ich vorher doch krank. Fünf Wochen hintereinander, der totale Luxus für mich. Die Insel half mir, zu gesunden.

Ich wohne. Und wie, im schönsten Kiez der Welt. Darum wollte ich ja nie auf Kreta leben, schön ist das dort, aber ich liebe mein zuhause. Meine Nachbarn sind mir wichtig, die Vertrautheit zu vielen, man kennt und schätzt und grüßt sich, hier gehöre ich nunmehr hin. Lietzensee, Kastanie, Schlosspark und Linde grenzen ein, ihr seht, ich mag das Grün und die Kneipen. Und die Menschen!

Ihr kennt die Bilder der Kinder auf den Müllhalden in Afrika.
Warum sie und nicht wir, warum hier und jetzt und nicht anders?
Mein Schnitt war immer verdammt gut.

Es gibt Menschen, die mögen oder wertschätzen mich.
Ein Geschenk.

Wäre ich mit 35 rechts im Leben abgebogen, es wäre anders gekommen. Glück gehabt!

Jesus. Bist du mein Glück, Schicksal, Weggefährte, Gewissen, Ansporn und Anspruch, Vater, Herr, Katalysator, Zufall …?
Ich rede gerne mit dir und es geht mir gut, wenn du mir nah bist.
Mein Glas fließt gerade über und ich gebe mir Mühe, dass nichts verschüttet wird.
Vier Kerzen brennen. Das ist eine Menge Licht und viel Wärme ist es auch.

ENDE

 

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