Bahnhofsmission Kassel-Wilhelmshöhe

Wüstenerfahrungen – Gottesdienst zum 1. Advent auf dem Bahnhof

von | Dez. 1, 2024 | Bahnhofsmission Kassel

Die Geschichte vom Propheten Elia,
die auch unsere Geschichte sein kann.

ICE-Bahnhof Kasssel-Wilhelmshöhe

30.11.2024

Es mögen wohl um die 40 bis 50 Personen gewesen sein, dass an unserem diesjährigen Gottesdienst zum 1. Advent teilgenommen haben; die gehört und gebetet haben, (mit-) gesungen und – gefroren haben. Dennoch. Es war gut, dass wir es wieder gewagt haben, öffentlich zu  verkündigen, was es zu verkündigen gab.

Diesmal eine Geschichte aus dem Alten Testament, in der von dem Propheten Elia die Rede ist.

Und von uns, wenn wir dort, wo Elia steht, unseren eigenen Namen einsetzen, auch, wenn der Vergleich gewagt ist.

***

Liebe Gäste und Freunde der Bahnhofsmission,

die Geschichte vom Propheten Elia, die wir gerade gehört haben,
ist eine sehr starke Geschichte.

Dieser Prophet, der im 9. Jahrhundert vor Christus im Nordreich Israels lebte und wirkte,
hatte „alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht“, wie nachzulesen ist.

Und nach blutigen Kämpfen hatte er sich dann verbittert und enttäuscht in die Wüste zurückgezogen und wollte nur noch eines: sterben. Behauptete er jedenfalls.

So ganz muss man ihm seine Todessehnsucht aber nicht abnehmen

Wer sterben will, legt sich in der Wüste in die pralle Sonne und nicht unter einen Ginster,
der auch in der glühenden Wüste noch ausreichend Schatten spenden kann.
Die langen Ginsterwurzeln reichen selbst in den trockensten Monaten bis zum Grundwasser.

Das klingt nach trotzigem pflanzlichen Überlebenswillen unter lebensfeindlichen Bedingungen und

ist wie ein Symbol für diesen trotzigen Propheten. Der auch leben will. Aber das muss er erst entdecken.

Dazu hilft ihm nun sein Gott, der ihm keine moralischen Vorhaltungen macht sondern ihm das gibt, was er jetzt braucht: Schlaf.

Ich stelle mir vor, dass es ein ganz tiefer Schlaf ist, erschöpft, traumlos.

Dann kommt ein Engel und weckt ihn. Mit geröstetem Brot und frischem Wasser.

Frisches Wasser in der Wüste, geröstetes Brot nach einem anstrengenden Lauf ums eigene Leben und einer Tagesreise in der Wüste –

da kann selbst ein trotziger Prophet nicht widerstehen.

Elia isst und trinkt und bekommt wieder Appetit auf das Leben. Ganz buchstäblich.

Dann lässt Gott ihn abermals schlafen.

Der zweite Schlaf scheint mir eine andere Qualität als der erste zu haben.

Im ersten Schlaf zieht sich Elia zurück aus der bedrohlichen Realität,

Im zweiten Schlaf sammelt er seine Kräfte und erholt sich für die kommenden Aufgaben.

Die können dann auch ausgesprochen werden. „Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“

Nach diesem zweiten Schlaf ist Elia bereit für neue Wege, Wege durch die Wüste.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

ich finde, das ist eine Geschichte wie für die Bahnhofsmission geschrieben.

Auch hierher kommen Menschen, die einiges erlebt haben, erlitten auch. Aus schwierigen sozialen Verhältnissen, aus dem Gefängnis, aus dem Kampf um das tägliche Leben, um das tägliche Über-Leben auch, aus dem Alleinsein, ja, aus der Einsamkeit, aus Wohnungen mit nur spärlich gefüllten Kühlschränken, mit Kleidung, das sich schon längst nicht mehr nach der aktuellen Mode richtet, mit dem Bedarf an guter, Weg weisender und hilfreicher Beratung und manchem mehr.

Da ist so mancher und so manche, die denken mögen: Es reicht. Es ist genug und sich fragen, ob der Tod nicht eine Erlösung wäre. „Es ist genug“, hören wir Elia sagen.

Wie gut dann der Schlaf tut.

Mancher nickt hier ein, oder schläft oben auf der Empore.

Die Bahnhofsmission ist da und macht Mut. „Steh auf und iß.“

Geröstetes Brot haben wir hier nicht, aber manch anderes.
Wurst und Käse, „Nutella“, Marmelade, Hauptsache etwas Süßes, Nervennahrung.
Gern Obst und Gemüse und und und … .

Wie gern nehmen wir Spenden, denn Alles einzukaufen ist teuer. Und es muß derzeit viel dazu gekauft werden.

Schlafen – Essen – Trinken – Schlafen – Ein gutes Wort auf den Weg – eine hilfreiche Tat … .

Denn der Satz galt nicht nur dem Elia:

„Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“

Von biblischen Elia heißt es dann: Er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

40 Tage und 40 Nächte, eine Symbolzahl, die auf Länge und Dauer hinweist.

Am Ziel seines Weges wird er also Gott begegnen. Und zu dieser Begegnung mit Gott gehört für Elia der lange Lauf durch die Wüste dazu.

Bahnhofsmission und Gott. Auch so ein Thema. Wird man da missioniert?

Selbstverständlich –

hat die Bahnhofsmission eine Mission, eine Sendung, eine Aufgabe.

Worte und Werke der Nächstenliebe weiterzugeben, könnte man sagen.

So eine Bahnhofsmission ist auch ein spiritueller Raum, auch ohne Glockenklang und Orgelspiel, Predigt und Gebet.

Und wie ist das mit der Gottesbegegnung?

Gott wird für Elia am Berg Horeb anders sein, als er es sich vorgestellt hat. Und doch wird er ihn, ausgeschlafen und gestärkt, auch durch den langen Gang durch die Wüste aufnahmefähig, erkennen.

„Der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. 12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.“

Gott ist anders, soll damit gesagt sein, als man sich IHN, SIE, ES … vorstellt.

Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott, heißt es in den Geboten. Wörtlich: Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen. Dazu braucht man freilich kein Holz und kein Messer, das geht auch in Gedanken.

Zuletzt läuft Elia wieder durch die Wüste. Er wird zwei Könige salben und seinen Nachfolger berufen. „Ich bin allein übriggeblieben“ hatte er geklagt. Das war ein Irrtum.

Wir sind nicht allein.

Nicht als Gäste der Bahnhofsmission,
nicht als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

auch, wenn wir immer wieder neue Kolleginnen und Kollegen brauchen.

Die Elia-Geschichte ist tatsächlich ein starke Geschichte.

Eine, die einen beruhigt einschlafen lässt, die einen stärkt wie geröstetes Brot und frisches Wasser, und die einen motiviert, den Weg durch die Wüste anzutreten,
begleitet von Engeln,

und zuversichtlich, Gott zu begegnen, der es gut meint mit uns. Mit jeder und jedem von uns.

Im Anschluss wie immer wieder interessante Gespräche und Kaffee sowie Kuchen satt.

Danke schön Allen, die am Gelingen dieses Tages beteiligt waren.

Die Fotos verdanken wir übrigens Uli. Auch dafür Danke!

Mitwirkende neben anderen: Karin Stürznickel-Holst, Michael Nowotny (Musik) und Holger Wieboldt

 

 

 

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