Aus der HNA vom 29. Juli 2024
VON ANNA WEYH
Projekt läuft noch zwei Jahre
Sie beraten und begleiten wohnungslose Menschen: (von links) Vera Latermann, Sarah Becker und Marwa Farighi.
Fotos: anna weyh (2)/privat/nh
Kassel – Housing First läuft in Kassel nun seit knapp zwei Jahren. Mit Gesprächen, aber auch mit der Begleitung zu Behörden und Wohnungsbesichtigungen sowie anschließenden Hausbesuchen unterstützen Vera Latermann, Sarah Becker und Marwa Fari-ghi die bislang wohnungslosen Menschen und verschaffen ihnen damit einen dauerhaft gesicherten Wohnraum.
Denn das – da sind sich das Sozial-Center der Heilsarmee, der Verein Soziale Hilfe und das Diakonische Werk Region Kassel sicher – ist die Grundlage für eine soziale Eingliederung der betroffenen Menschen, die bislang noch keinen Zugang zum Hilfesystem gefunden haben.
Doch diesen Zugang durch das international erfolgreiche Projekt herzustellen, ist auch für die drei Mitarbeiterinnen der Träger schwierig: „Viele Personen haben extrem hohe Schulden. Wir begleiten diese Menschen dahingehend und unterstützen sie langfristig“, sagt Marwa Farighi.
Häufig gehe es zunächst auch um Themen wie fehlende Ausweise, nicht vorhandene Konten oder das Einrichten von Steuernummern, zählt Vera Latermann auf. „Wir müssen die Menschen zunächst wieder an das System anbinden“, sagen die Frauen. Das koste vor allem Zeit. „Für längerfristige Erfolge müssen wir noch mehr in die Begleitung gehen. Da kommen wir an unsere Grenzen“, sagt auch Housing-First-Mitarbeiterin Sarah Becker.
Das Projekt wird von der EU zu 90 Prozent gefördert. Dazu kommen fünf Prozent vom Bund und fünf Prozent Eigenleistung der Träger. In der EU-Förderung enthalten seien drei Mal 30 Wochenstunden Sozialarbeit (diese übernehmen Vera Latermann, Sarah Becker und Marwa Farighi) sowie zehn Wochenstunden Hausmeistertätigkeiten sowie Verwaltungskapazitäten.
Insgesamt betrage die Höhe der Förderung für vier Jahre und alle drei Träger zusammen um die 970 000 Euro, sagt Martin Schenker vom Diakonischen Werk Region Kassel.
Wie es nach den vier Jahren, von denen zwei bereits vergangen sind, weitergehen soll, ist noch offen. Die Träger wünschen sich eine Verstetigung des Projekts, denn: „Wir haben auch viel gelernt. Unsere Zusammenarbeit hat sich verändert und verbessert – durch die Evaluation der Uni Kassel wollen wir unser Hilfesystem langfristig verbessern“, sagt Schenker.
Auch Staatssekretärin Manuela Strube hat sich kürzlich vor Ort in Kassel auf den aktuellen Stand bringen lassen. „Kassel verzeichnet bei dem Projekt schon gute Erfolge. Was mir als Kooperationspartner noch fehlt, ist das Jobcenter“, sagt sie.
Es sei essenziell, dass die Mitarbeitenden, die mit den Menschen vor Ort interagieren, sensibilisiert werden für die aktuelle Situation der Wohnungslosen: „Erst müssen die Betroffenen eine Wohnung finden, dann haben sie den Kopf frei für die Jobsuche“, sagt auch die Baunatalerin. Strube könne sich langfristig auch eine finanzielle Unterstützung des Landes vorstellen: „Dafür müsste Housing First aber noch in mehreren hessischen Städten stattfinden“, sagt die Baunatalerin.
Eine Herausforderung für das Team in Kassel sei die Akquise des Wohnraums. Vor allem private Vermieterinnen und Vermieter seien noch zurückhalten. Aktuell arbeiten die Träger nur mit den Wohnungsbaugesellschaften für Housing First zusammen.
Die Stadt Kassel als Kooperationspartner schaffe den Zugang zu ihnen. Schenker sagt: „In anderen Ländern, in denen Housing First sehr erfolgreich ist, gibt es den Wohnraum bereits, weil der Staat dafür Wohnungen kauft. Das ist hier anders.“
Dem Team ist klar: Die Mitarbeitenden müssen durch Verlässlichkeit das Vertrauen der privaten Wohnungsgebenden gewinnen und ihnen eine finanzielle Absicherung bieten können.